»Off the Record«. Diskursanalyse als die Kraft des Unmöglichen
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Die Regungen der Autoren erlöschen in dem objektiven eh!lt" den sie ergrei#en$ Die objektive F%lle von Bedeutungen jedoch" die in jedem geistigen &h'nomen verk!(selt sind" verl!ngen vom Em(#!ngenden" um sich )u enth%llen" eben jener S(ont!neit't subjektiver &h!nt!sie" die im *!men objektiver Dis)i(lin ge!hndet +ird$
Theodor W. Adorno
Diskurs!n!l,tische -ethoden h!ben mittler+eile !uch in den So)i!l.+issensch!#ten m!ssiv Ein)ug geh!lten$ Dies h!t #r!glos /orteile0 -it dieser &ers(ektive k!nn vor !llem d!s 1issen !ls 2nstrument von -!cht.verh'ltnissen und 3errsch!#tstechniken und dessen /er!nkerung im Subjekt 4und die F!brik!tion von Subjektivit'ten5 !n!l,siert +erden$ Um es !u# einen mehr oder minder tre##sicheren &unkt )u bringen" lie6e sich s!gen" d!ss mit einer diskurstheoretischen &ers(ektive und den ents(re.chenden An!l,sen die 2ntern!lisierung von 3errsch!#tsbe)iehungen teil.+eise entschl%sselt +erden k!nn$ Au# jeden F!ll h!ben sich neue Fr!.genkom(le7e ergeben$8ugleich jedoch ist der Diskursbegri## !ls rhetorische Figur )eitge.m'6er S(r!che im Feuilleton !ngekommen und h!t sich 9 bis+eilen kon.turlos 9 !usgebreitet$ *icht )ulet)t diese /er+'sserung des Begri##s im !ktuellen S(r!chgebr!uch m!cht es nötig" seine +issensch!#tliche und vor !llem methodische Tr!g+eite )u re#lektieren$ 2n diesem :onte7t
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sind 9 so+ohl in den eistes. +ie in den So)i!l+issensch!#ten
;
9 Deb!t.ten entbr!nnt" die einerseits d!s Erkl'rungs(otenti!l von Diskurs!n!l,.sen her!usheben" !ndererseits jedoch den -!ngel !n methodischer 4und d!mit +issensch!#tlicher5 Fundierung einkl!gen$ Es bed!r#" so ist h'u#ig )u lesen" einer Form!lisierung der -ethode" um die noch immer beste.hende <:lu#t )+ischen Diskurs!n!l,se und em(irischer So)i!l#orschung )u %ber+inden= 4>'ger ?@@;0 ;;;5 und diese im +issensch!#tlichen -e.thodenk!non )u et!blieren$Ob+ohl es gute r%nde gibt" sich %ber den Diskursbegri## und die d!)ugehörigen An!l,sever#!hren 4+issensch!#tliche5 ed!nken )u m!.chen" s(richt doch einiges d!#%r" d!ss sich ger!de die Diskurs!n!l,se 9 vor !llem jene #r!n)ösischer &r'gung" die best'ndig !u# -ichel Fouc!ult ver+eist 9 einem #orm!lisierten" methodisch.+issensch!#tlichen 8ugri## ent)ieht$ 1'hrend mit der Form!lisierung von Diskurs!n!l,sen eine Ob. jektivierung der Ergebnisse 4und d!mit die Anbindung !n die em(irische 1issensch!#t 9 gen!uer0 !n die u!lit!tive So)i!l#orschung5 ver#olgt +ird" k!nn der Fokus !u# eine !n den Diskursbegri## gebundene Er.kenntniskritik erneut die (rin)i(ielle Unmöglichkeit objektiver Auss!.gen )um /orschein bringen$ Diese !lt bek!nnte Einsicht +ird jedoch nicht !ls blinder Fleck der 1issensch!#t ein)ugren)en versucht" sondern !ls -öglichkeit der Bedeutungsverschiebung nut)b!r gem!cht$ 8ugleich kritisiert dies den /ersuch der methodischen
Schließung
von Diskurs.!n!l,sen$ Ob+ohl es durch!us sinnvoll und nötig ist" die Diskurs!n!l,se
!uch !ls +issensch!#tskritische 3!ltung )u (r')isieren und ihre Reich
+ei.te !us)uloten"
?
ist d!s Anliegen des Beitr!gs jedoch nur" die Di##eren)en )+ischen einer methodisch !bgesicherten" st!bilisierten Forschung und einer Diskurs!n!l,se !ls 3!ltung oder &ers(ektive deutlich )u m!chen$ Sie be#indet sich ein St%ck +eit immer <o## the record=" jenseits des Ar.chivs 4vgl$ Derrid! ;C0 ?5$ Es ist nicht 8iel dieses Te7tes" Deb!tten )ur Angemessenheit von Begri##en und 1erk)eugen in Fr!ge )u stellen$ /ielmehr soll eine R%ckru#!ktion kritisiert +erden" die im /ersuch durchschimmert" die von Fouc!ult !usgehende Diskurs!n!l,se sol!nge methodisch )u modellieren" bis sie ins er%st em(irischer So)i!l#or.schung (!sst$ 8+!r +ird der <(oststruktur!listische Um+eg="
dem sich die 1issensch!#t !usset)en muss" )umeist re#lektiert$ Doch es scheint" !ls +%rden die #%r den 1issensch!#tsbetrieb unliebs!men :onseuen)en
%bersehen oder ge#lissentlich ignoriert +erden$ 1enn bs(+$ R!iner Di!
).
;Einen berblick )ur Deb!tte in der &olitik+issensch!#t lie#ert :erchner 4?@@C5" #%r die eschichts+issensch!#t sind u$ !$ einschl'gig Eder 4?@@C5 und L!nd+ehr 4?@@5$?Einen +ichtigen Beitr!g d!)u lie#ert S!r!sin 4?@@5$/gl$ den Te7t von >ohn L!+ in diesem B!nd$
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Bone 4?@@C5 ein#ordert" d!s methodologische Ringen um
die Diskurs!n!.l,se so+eit vor!n)utreiben" bis sie schlie6lich G
vollständige
An!l,senH (r'sentieren k!nn" b!siert dies !u# einem -issverst'ndnis (oststruktur!lis.tischer Theoriebildung$
I
2nso#ern ist die von >'ger beschriebene G:lu#tH )+ischen Diskurs!n!l,sen und em(irischer So)i!l#orschung kein -!n.gel sondern konstitutivJ und st!tt sie durch methodologische Anstren.gungen )u %ber+inden" gilt es" die eltung und Tr!g#'higkeit methodi.scher 1erk)euge best'ndig )u re#lektieren und )u kritisieren$
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Es ist )+!r richtig" d!ss sich Diskurs!n!l,sen 4n!ch Fouc!ult5 nicht !u# S(r!che 4oder Schri#t5 !n sich be)iehen" sondern regulierte" s,stem!ti.sche Auss!gen im :onte7t 9 !lso Diskurse 9 untersuchen$
<D!s Objekt der An!l,se ist nicht S(r!che" sondern die -enge des es!gten" sein durch Str!tegien der /erkn!((ung in ren)en geh!ltenes und )ugleich geregeltes 1!chsen" d!s erst im Au6en des es!gten" in jenen Be)iehungen erkennb!r +ird" die den m!chtvollen R!um des G8+ischenH" der Rel!tionen und Anschlu6stellen erö##net= 4:!r(enstein.E6b!ch ;K0 ;5$
K
Dies 'ndert jedoch nichts d!r!n" d!ss uns diese geregelten Auss!gen ei.nes Diskurses" die m!terielle und (olitische E##ekte )eitigen"
nur
!ls S(r!che 9 oder gen!uer0 !ls 8eichen 9 )ug'nglich +erden und d!ss jene Einsicht" die hrist! :!r(enstein.E6b!ch #%r die Dekonstruktion im Sin.ne Derrid!s #ormuliert" ebenso #%r die Diskurs!n!l,sen )utri##t0
»Dem Text antwortet ein Text«
4:!r(enstein.E6b!ch ;K0 ;" 3$ d$ A$5$ -it !nderen 1orten0 Diskurstheorien" die !u# die konstitutive :r!#t der S(r!che !bheben" sind eng mit einer 4(ost.5struktur!listischen Erkennt.niskritik verkn%(#t" die )umeist !uch 1issensch!#tskritik ist$2n diesem 8us!mmenh!ng erscheint es sinnvoll" erneut !n Derrid!s erkenntniskritische &hiloso(hie )u erinnern" d! die Diskurs!n!l,se !ls -ethode" +ie bereits er+'hnt" immer !u# 4gleich+ohl geregelte und konkrete5 S(r!che !ls Untersuchungsgegenst!nd
und
:ommunik!tions.mittel )ur%ckgrei#en muss$ Ob+ohl bereits S!ussure !ls 9 +enn m!n so +ill 9 Stich+ortgeber des Struktur!lismus die Arbitr!rit't von Signi#ik!t und Signi#ik!nt und d!mit die S(r!che !ls konstitutiv #%r Bedeutungen
IMhnliches gilt #%r :eller 4?@@5$K/ergleichb!r !rgumentieren >'ger 4?@@;5" L!nd+ehr 4?@@5 und Bublit) 4?@@5$ Reisigl 4?@@C5 )eigt !llerdings !u#" d!ss Fouc!ults Diskursbegri## sehr heterogen ist$
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her!ushebt" beh'lt er dennoch einen versteckten Essenti!lismus der <geistigen 2dee= bei" +ie Nu!d#lieg kl!rstellt0
<F%r S!ussure verl!u#en die :ette der /orstellungen Signi#ik!tP und die :ette der L!utbilder Signi#ik!ntP QP getrennt und (!r!llel$ Eine /orstellung +ird nur im /erh'ltnis )u den sie umgebenden /orstellungen bedeuts!m" ebenso +ie d!s &honem nur in der Abgren)ung )u !nderen &honemen !ls Einheit er.scheinen k!nn= 4Nu!d#lieg ?@@0 ;@?5$
Derrid! kritisiert S!ussures Begri## des 8eichens" der !ls let)te met!(h,.sische rö6e seine Bedeutung" sein Signi#ik!t" in sich tr'gt$ Diesem 8ei.chenbegri## entgegnet Derrid!" d!ss kein Signi#ik!t 9 !uch nicht d!s des 8eichens selbst 9 <dem S(iel !u#ein!nder ver+eisender Signi#ik!nten= entkommt 4Derrid! ;@0 ;5" d!ss" mit !nderen 1orten" jede Bedeu.tung immer schon !us dem S(iel der Signi#ik!nten hervorgeht$ Es h!t desh!lb keinen Sinn" die Bedeutung !ls einen Teil des 8eichens selbst )u konstituieren" d! sie in ihm nicht (r'e7istent ist" sondern immer erst durch /er+eisketten entsteht0
<-it 3il#e des Begri##s des 8eichens ersch%ttert m!n die -et!(h,sik der &r'.sen)$ /on dem Augenblick !n jedoch" +o m!n d!mit QP be+eisen +ill" d!6 es kein tr!ns)endent!les oder (rivilegiertes Signi#ik!t gibt und d!6 d!s Feld oder d!s S(iel des Be)eichnens von nun !n keine ren)en mehr h!t" m%6te m!n sog!r den Begri## und d!s 1ort 8eichen )ur%ck+eisen= 4Derrid! ;?0 I?K5$
D!s /erh'ltnis von S(r!che und Bedeutung begibt sich hier in einen 8ir.kel" !us dem 9 streng genommen 9 kein Aus+eg besteht$ D! d!s 8entrum oder der 4st!bile5 Ort des Auss!gens !bh!nden gekommen ist" l!s
sen sich keine !bschlie6enden Einsichten 4!uch %ber Diskurse5 #ormulieren$ >ede Begri##sbestimmung ist immer !bh'ngig von einem S,stem des Be)eich.nens0
<>eder Begri## ist seinem eset) n!ch in eine :ette oder ein S,stem einge.schrieben" +orin er durch d!s s,stem!tische S(iel von Di##eren)en !u# den !n.deren" !u# die !nderen Begri##e ver+eist$ Ein solches S(iel" die
différance
" ist nicht ein#!ch ein Begri##" sondern die -öglichkeit der Begri##lichkeit" des Be.gri##s(ro)esses und .s,stems %berh!u(t= 4Derrid! ;@0 I@5$
Die !lte und o#t missverst'ndliche &hr!se G!lles ist DiskursH l'sst sich !n dieser Stelle !bleiten$ &r')iser +'re es jedoch )u s!gen" jede Bedeutung" jeder Sinn entsteht durch 4endlose5 /er+eise und Abgren)ungenJ g!n) +ie in einem 1örterbuch" +o ein 1ort nur durch viele !ndere 1örter
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Bedeutung erh'lt$ <-it !nderen 1orten0 S(r!che tritt (er de#initionem
ex nihilo
hervor=$ leichs!m unvermittelt h!t !lles Bedeutung und ge.n!u d!s meint Arbitr!rit't0 <nicht" d!6 +ir von !u6en 1orte und Dinge GvergleichenH QP" sondern g!n) im egenteil die t!ts'chliche
nm!g"lich#eit
" eine solche 'u6ere &osition ein)unehmen" von der !us +ir 1or.te und Dinge GvergleichenH können= 4iek ;I0 KK#$5$Entscheidend ist jedoch" d!ss Bedeutungen" +enn sie denn so entste.hen" immer inst!bil" vieldeutig us+$ sind und keine noch so #undierte und #orm!lisierte 1issensch!#t dem S(iel !u#ein!nder ver+eisender 8ei.chen entkommt0
<Es ist dies !uch der Augenblick" d! in#olge der Ab+esenheit eines 8entrums oder eines Urs(rungs !lles )um Diskurs +ird QP 9 d!s hei6t )um S,stem" in dem d!s )entr!le" srcin're oder tr!ns)endent!le Signi#ik!t niem!ls !bsolut" !u6erh!lb eines S,stems von Di##eren)en" (r'sent ist$ Die Ab+esenheit eines tr!ns)endent!len Signi#ik!ts er+eitert d!s Feld und d!s S(iel des Be)eichnens ins Unendliche= 4Derrid! ;?0 I?I5$
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Andre!s Reck+it) h!t !us dieser G(oststruktur!listisch in#ormiertenH &o.sition bereits Folgen #%r den methodischen 8ugri## !u# Diskurse !bgelei.tet$ Er identi#i)iert 9 bis+eilen #!t!le 9 3omogenisierungstenden)en" +elche die h,bride und (ol,semische Struktur von Diskursen %bergehen und ihnen !uch dort :ontinuit't und St!bilit't )u+eisen" +o sie gebro.chen und mehrdeutig sind" sich %berl!gern oder +iders(rechen 4vgl$ Reck+it) ?@@I0 ?C5$
2n vielen diskurs!n!l,tischen Forschungen
<e7istiert eine deutliche u!si struktur!listische Tenden) )ur 3omogenisierung von diskursiven Ordnungen und ihrer Form!tionsregeln" die n!ch !u6en je.+eils 9 et+! in der historischen Seuen) 9 !ls diskontinuierlich inter(retiert +erden" um n!ch innen ents(rechend !ls &rodukt einer verh'ltnism'6ig ein.heitlichen kulturellen Ggener!tiven r!mm!tikH )u erscheinen= 4ebd$5$
Reck+it) #ordert desh!lb )u einer <dekonstruktiven Diskurs!n!l,se= !u#" deren St'rke es sei" :onstell!tionen des 3,briden besser )u er#!s.sen$ -!n m%sse die Dekonstruktion" die eine <s(e)i#ische 3!ltung ge.gen%ber Te7ten= ist" in die Diskurs!n!l,se inji)ieren" um diese vor der F!lle )u be+!hren" Diskurse !ls m!ni#est und in sich homogen )u inter. (retieren 4ebd$5$
CEs +'re %brigens möglich" d!s gleiche Argument mit Fouc!ult )u ent.+ickeln" +ie S!r!sin 4?@@C5 !n Fouc!ults 4;C5 )us!mmen mit der
$e%urt der &lini#
verö##entlichtem Buch %ber R!,mond Roussel deutlich gem!cht h!t 4vgl$ Fouc!ult ;5$
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